Winson
"Ich mag es auch gerne mal unerwartet umarmt zu werden"

Rothenburg o.d. Tauber, 15. August 2004. Nach einer durchzechten Nacht und einem berauschenden Auftritt beim Taubertal Festival nahm Winson aus Berlin (aus Berlin) sich spontan die Zeit mir Rede und Antwort zu stehen und mir dabei seine geheimen Wünsche zu offenbaren.

Beschreibe doch mal deine letzten 24 Stunden?

Wie viel Uhr haben wir jetzt?

So kurz vor halb 4.

Gestern um 4 Uhr sind wir in Köln angekommen und haben da von halb 8 bis um 9 Uhr vor ca. 10.000 Leuten gespielt. Es war Wahnsinn, die Leute sind extrem gut abgegangen. Bis halb 12 Uhr habe ich es dann geschafft keinen Alkohol zu trinken, denn wir müssen ja heute noch hier spielen. Nüchtern sein ist wichtig. Dann kam der Chef meiner Plattenfirma bei uns im Hotel vorbei und hat eine Flasche Rotwein bestellt. Na ja, da wollte ich ja nicht so sein und das eine Glas Rotwein... Es ging dann immer weiter und weiter. letztlich hatten wir dann 5 oder 6 Flaschen Rotwein getrunken und wir waren um sieben Uhr morgens zum Aufstehen und Weiterfahren verabredet und es war 6 Uhr morgens. D.h. man stellt mit Erschrecken fest: "Ich bin schweinebesoffen und habe noch eine Stunde um nüchtern zu werden". Dann habe ich eine Stunde gepennt und habe auch im Bus hierher versucht zu schlafen und habe den Chef unserer Plattenfirma verflucht, weil er uns zum Saufen eingeladen hat und dann als wir hier auf dem Gelände angekommen sind, bin ich in der Tat aus dem Auto rausgesprungen bei halbschneller Fahrt, weil ich brechen musste. Auf dem Taubertal habe ich also als erste Aktion erst mal gebrochen. Jetzt geht's gerade wieder. Wir haben eben gespielt. Ich hatte beim ersten Akkord des Gigs noch Kopfschmerzen, während des Gigs war es dann komplett weg und mit dem Schlussakkord kam es dann wieder geballt zurück. Aber mir geht es jetzt wieder einigermaßen gut. Ich bin auf dem Wege der Besserung, trinke Cola und esse Salzstangen.

Bist du eigentlich Festival-Fan?

Ja, voll. Ich spiele super gerne auf Festivals, weil man da mit anderen Bands in Kontakt gerät, die man sonst nicht trifft. Wir haben z.B. gerade Mia getroffen, die wir sehr mögen und was ich auch toll finde, dass man sich Bands angucken kann, die man sich sonst vielleicht nicht leisten würde. Ich glaube auch, dass Winson eine Festival-Band sind, denn wir haben ja verschiedene Musikstile und auf Festival kommt es, glaube ich, ganz gut an, wenn man mal ein Reggae-Stück spielt. Wir machen Festivals Spaß.

Du machst ja aus deinem Wohnort keinen Hehl. Bist du eigentlich Wahl-Berliner oder gar dort geboren?

Ich bin in der Tat Wahl-Berliner. ich bin vor 9 Jahren aus Frankfurt a.M. nach Berlin gezogen.

Wo fühlst du dich denn in Berlin am wohlsten?

Ich mag, glaube ich, das Dreiländer-Dreieck Kreuzberg-Friedrichhain-Treptow am meisten. Es gibt da sehr viel grün und schöne Spreeufer-Promenaden, gleichzeitig aber auch verruchte Kneipenecken. Man hat da alles, was man als Mensch braucht.

Du bist ja eigentlich ein Einzelkünstler. Nach welchen Kriterien hast du denn deine Band zusammengestellt?

Ich habe erstmal in meinem Freundeskreis geguckt, wer gut Instrumente spielen kann, quasi eine Mischung aus Freundschaftsfaktor und "Wie gut ist er als Musiker?" als Messlatte angelegt, da es mir extrem wichtig ist, dass es mit den Jungs, mit denen ich unterwegs bin auf eine gewisse Art familiär ist. Auch wenn wir nicht die Band sind, die zusammen die Platte eingespielt haben, mag ich nicht mit irgendwelchen Mietmusikern unterwegs sein, die ich vorher nicht kannte, die man kennen lernen muss und denen dann vielleicht auch die Musik nicht mal gefällt. Deswegen habe ich eigentlich, im Grunde genommen, Kumpels von mir dabei. Mit Tom, einer der Gitarristen, hatte ich z.B. schon vor Jahren einmal eine andere Band.

Seit wann machst du Musik?

Seit meinem 14. Lebensjahr mache ich Musik. Mit 14 habe ich mir einen Bass gekauft, ein halbes Jahr jeden Tag geübt und dann meine erste Band gehabt.

Einer der Höhepunkte deines aktuellen Albums ist mit Sicherheit "Liebeskummer is' Luxus" - ein wirklich tolles Stück. Für wen hast du es denn geschrieben oder wem wolltest du diesen Rat geben?

Es war eigentlich eher eine selbsttherapeutische Maßnahme, weil ich selber Liebeskummer hatte und ich musste in der Nacht auch in der Kneipe bis 5 Uhr morgens arbeiten, bin dann noch in eine andere Kneipe, die richtig lange aufhat, gegangen und habe mir dort den teuersten Whisky, den es gab, bestellt. Ich habe zwei davon getrunken und damals 28 Mark oder so bezahlt. Da habe ich mir dann gedacht: "Liebeskummer ist echt Luxus, wenn man sich so ein teures Getränk kauft". Das Stück habe ich dann dem Mädchen, wegen dem ich damals Liebeskummer hatte, gewidmet. Mittlerweile sind wir befreundet. Sie macht mir manchmal T-Shirts für die Bühne. Das T-Shirt was ich heute anhatte, stammt von ihr.

Du hast ja auch eine Zeit lang gekellnert. Was war aber allgemein der beschissendste Job, den du jemals gemacht hast?

Da war ich Hilfsmitarbeiter in einer Stahlnietenfabrik, wo man Rohlinge aus Stahl an eine Maschine liefern musste, wo die ganzen Arbeiter dann Nieten draus gemacht haben. Jedenfalls hing dort total viel Metallstaub in der Luft. Wenn man abends nach hause kommt, hat man Metallstaub in den Augen, kleine Metallstücke in Nase und Mund - wirklich ein sehr extremer Job.

Womit kann man Winson am meisten glücklich machen?

Ich bin eigentlich relativ leicht glücklich zu stellen. Am besten macht man mich glücklich, wenn man nett zu mir ist, oder ich mag es auch gerne mal unerwartet umarmt zu werden.

... einfach mal gedrückt zu werden ...

... ja, mal drücken. Drück doch mal den Winson och.

Wer dich in letzter Zeit auch stark gepusht hat waren die Beatsteaks. Was ist die positivste Eigenschaft der Beatsteaks?

Die Beatsteaks sind eine richtige Band, das ist das Beste an den Beasteaks. Sie haben 5 Köpfe und 10 Beine und sind trotzdem eins, das ist das Geile an den Beatsteaks. Ich kenne die ja nun alle persönlich und weiß wie die Einzelcharaktere verschmelzen, wenn sie auf der Bühne stehen oder im Proberaum sind. Das ist etwas, was es fast nicht mehr gibt. Mir fällt auch keine deutsche Band ein, wo mir das so auffällt.

Du gibst ja gerade ein Interview für eine die ärzte Fanpage. Was ist deine Meinung zu der besten Band der Welt?

die ärzte haben mich, das kann ich überhaupt nicht abstreiten, total beeinflusst. Damit meine ich nicht im musikalischen Sinne, aber als Teenager habe ich wahnsinnig viel Ärzte gehört und war auch Fan. Ich war ja mal mit den Beatsteaks, wo sie Vorgruppe waren unterwegs und habe sie dort gefilmt und beim dritten Mal haben die ärzte dann "Teenager Liebe" gespielt und für mich war das wie "Nach Hause kommen", weil ich es ganz lange nicht gehört hatte und mir wider bewusst wurde, wie wichtig die ärzte für mich waren. Ich hatte es quasi verdrängt und die ärzte sind eine der wichtigsten deutschen Bands, die es gibt und jemals geben wird.

"Teenager Liebe" ist auch einer der schönsten Songs, die es gibt.

Auf jeden Fall, finde ich auch, "Teenager Liebe" ist ein ganz tolles Lied.

Was ist für dich als bekennender Kreuzberger die beste Kneipe in Kreuzberg?

Ich würde sagen "Wiener Blut" auf der Wiener Straße. Sehr schön dort, gehe ich gerne hin.

Auf deiner Platte finden sich ja viele unterschiedliche Musikstile wieder, welchen Stil würde ein Hörer niemals auf einer Winson-Platte finden?

Ich mag Techno nicht so gerne, ansonsten bin ich sehr vielseitig. Ich höre mir sogar eine Britney Spears-Single mehrmals hintereinander an, weil ich wissen will, wie die das gemacht hat, dass es so klingt. Ich bin da also echt offen.

Du arbeitest auch sehr viel mit Elektronik. Was waren da so die Vorbilder für dich?

Ich habe ja zwei Bands, die ich als Vorbilder nennen möchte, zum einen Ween aus Amerika und dann Trio aus Deutschland. Ich glaube das Elektronische kommt auch daher, dass ich zunächst die Songs alleine entwickelt habe. Da war dann schon mal automatisch ein Computer dabei. Dass ich das dann gut fand, hängt damit zusammen, dass ich früher viel Ween gehört habe, die auch viel mit Drumcomputern gearbeitet haben.

Wie sieht die Zukunft von Winson aus?

Wir spielen jetzt noch Festivals, im Herbst machen wir eine Tour und dann würde ich gerne eine neue Platte machen...

... wenn du darfst ...

 ... ja, mal gucken, wann dem so sein wird.

Letzte Frage, du kannst einen der größten Charakterköpfe unter den deutschen Musikmanagern als deinen Manager nennen? Wie kmast du zu Axel Schulz?

Ich habe in der Ankerklause gearbeitet und dann kam Axel Schulz herein, den ich vom Sehen her kannte, da er öfter zu Besuch war. Er kam in Begleitung von Camper von Beethoven und letzterer war gut egogeladen, denn er hatte wohl ein super Konzert in Berlin gespielt. Ich hätte mich dann beinahe mit Camper geprügelt, weil er mir irgendwie im Weg stand und Axel ist dann dazwischen gegangen und am nächsten Tag hatte ich eine CD für unseren Toningenieur dabei, der kam aber nicht, da habe ich dann Axel Schulz die CD gegeben als Entschädigung für den gestrigen Abend. Ich habe ihm also ohne irgendwelche Erwartungen die CD gegeben und habe dann am Abend noch Armin von den Beatsteaks getroffen und ihm davon erzählt und wir haben uns totgelacht. Er hat mich dann noch gefragt: "Und was erwartest du jetzt?". Da habe ich dann gesagt: "Keine Ahnung, vielleicht managed er mich ja...". Da haben wir dann am Boden gelegen vor Lachen. Drei Wochen später hat er mir eine SMS geschrieben: "Hey Winson, du hast jetzt einen Manager, melde dich bei mir, Axel!" Coole Geschichte.

© Stefan Üblacker