Slim Jim Phantom
"Ich bekomme einen Anruf und schon stehe ich wieder auf irgendeiner Bühne"

Düsseldorf, 22. April 2006. Der legendäre Drummer der Stray Cats ist in Deutschland unterwegs und hat Station im alt-ehrwürdigen Ratinger Hof gemacht. Aufmerksamen Lesern der die ärzte-Biographie dürfte nicht entgangen sein, dass Slim Jim Phantom nicht ganz unschuldig ist, dass Bela B. heute im Stehen spielt. Im Interview plauderte er aus einem ereignisreichen Leben.

Wie bist du zu deiner ersten Band gekommen?

Eigentlich auf ganz natürliche Weise - so wie viele andere Leute auch. Ich hatte einige Freunde auf der High-School, mit denen ich irgendwann dann eine Schülerband gegründet habe...

... und warum hast du dich für das Schlagzeug entschieden?

Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Es hat mich wohl irgendwie angezogen. Warum fangen einige an Gitarre zu spielen oder Saxophon zu lernen - man weiß es oft nie genau. Ich kann mich nur erinnern, dass ich auf jeden Fall Schlagzeug spielen wollte und das habe ich ja mittlerweile auch ganz gut geschafft (lacht).

Habe deine Eltern dich dabei genauso unterstützt, wie du es heute mit deinem Sohn tust?

Nein, nicht auf die Art und Weise, wie ich es mit meinem Sohn tue. Sie waren ja keine Musiker. Irgendwann haben sie aber gemerkt, dass ich es ernst mit der Musik meine und mich dann darin unterstützt. Ich bin aber auch schon sehr früh von zu Hause weg - so mit 17, 18 Jahren. Die letzten Sachen, die ich gemacht habe, fanden sie aber alle gut.

Ende der 70er haben Brian Setzer, Lee Rocker und du die Stray Cats gegründet, 1980 euer Debüt-Album veröffentlicht und damit eine Neo-Rockabilly-Welle losgetreten. Wie war die Atmosphäre in diesen Tagen und unter welchen Umständen ist euer Debüt-Album entstanden?

Die Umstände für die Album-Aufnahmen waren hervorragend. Wir hatten vorher einen fetten Major-Plattenvertrag abgeschlossen, denn wir waren schon vor der Aufnahme zu dem Debüt-Album mit unseren ersten Singles sehr erfolgreich. Wir haben die Platte in einer Zeit aufgenommen, wo es in England hoch her ging - politisch wie gesellschaftlich. Wie waren gut mit The Clash und einigen Mitgliedern von den Sex Pistols befreundet, die darin stark involviert waren und uns sehr mochten und freundlich zu uns waren. Letztlich ist unser Song "Rumble In Brighton" dieser Zeit geschuldet.

Wenn man die Stray Cats als Band betrachtet, dann kann man feststellen, dass es jeder von euch an seinem Instrument zu einem wahren Experten gebracht hat. Wenn man an Gretsch-Gitarren denkt, dann verbindet man sie direkt mit Brian. Wenn man an Steh-Drummer denkt, dann fällt einem automatisch dein Name ein. Was denkst du, ist der Grund dafür?

Wir waren einfach anders. Wenn man uns bei unseren ersten TV-Auftritten gesehen hatte, dann kamen wir einfach anders daher als jeder andere Standard-Rock'n'Roll-Band. Sogar The Clash oder die Sex Pistols kamen dabei noch normal rüber, denn sie hatten ganz normale Gitarren, Verstärker und einen regulären Drummer - halt ein normales Rock-Equipment. Wenn man es jetzt aber nur auf die visuelle Ebene herunter bricht, dann tut man uns sicher unrecht, denn wir konnten natürlich auch allesamt hervorragend spielen und jeder hatte seinen eigenen Stil dabei. Das zusammen hat einfach geflasht.

Nach dem Spilt der Stray Cats hast du in verschiedensten Bands gespielt und spielst auch heute noch in den unterschiedlichsten Bands. Zur Zeit bist du z.B. mit dem Slim Jim Phantom Trio auf Tour. Kannst du dir ein Leben ohne Live-Erlebnisse vorstellen?

Oh ja, ich kann mir das vorstellen. Aber das Touren passiert dann einfach so bei mir - es ist halt auch mein Job. Ich bekomme dann meist einen Anruf und schon stehe ich wieder auf irgendeiner Bühne. Ich liebe es aber zu Hause sein und ich freue mich nach den Tourneen immer wieder zu Hause anzukommen.

Farin Urlaub hat einmal gesagt. "Der einzige Grund für ihn ein Album zu machen ist damit auf Tour zu gehen.". Würdest du dem zustimmen?

Oh ja. Wenn du ein Album machst, dann willst du es auch spielen und die Songs entwickeln sich während der Live-Shows auch immer weiter und verändern sich gegenüber dem Album-Original. Wenn du eine Platte machst, dann gehst du damit auf Tour und willst es unter die Leute bringen - insofern stimme ich ihm vollkommen zu.

2003/2004 habt ihr die Stray Cats wieder erfolgreich zusammen geführt. Welches Publikum kam da zu euren Shows?

Das Publikum war bunt gemischt. Es gab viele Kids, die uns zum ersten Mal überhaupt live gesehen haben und dann normale Leute, die heute Jobs und Familien haben und uns noch von damals kannten. Natürlich kamen auch alle unseren treuen Anhänger, die uns über alle die Jahre die Treue gehalten haben.

Ihr habt im Zuge dessen auch einen neuen Song namens "Mystery Train Kept A Rollin'" aufgenommen, wo ihr Legenden wie Buddy Holly, Gene Vincent, Eddie Cochran oder Johnny Cash Tribut zollt...

... ja, all die Jungs, die wir so sehr lieben. Brian kam an mit dem Song und jedem von uns hat er gefallen und wir haben ihn letztlich in ca. 20 Minuten aufgenommen.

Können wir uns denn auf weitere neue Stray Cats-Songs freuen?

Hoffentlich, denn leider liegt es nicht allein an mir. Wir wollten uns diesen Sommer mal zusammen setzen und mal sehen - vielleicht kommt ja dabei was Neues raus.

Johnny Cash, einer der erwähnten Einflüsse, starb im August 2003. Was war deiner Meinung nach sein größter Verdienst?

(überlegt) Er kam aus diesem Club, aus dem auch Elvis oder Carl Perkins kamen - er war Teil der "Sun"-Familie und für mich jeder davon ein Held.

Brian Setzer hat vor kurzem ein neues Album namens "Rockabilly Riot Vol. 1 - A Tribute To Sun Records" veröffentlicht. Was ist mit dir?

Ich bin gerade dabei mit meinem Tour-Gitarissten Darrel Higham aufzunehmen, wovon wir einen Teil schon jetzt live spielen. Nach der Tour werden wir dann die Aufnahmen beenden. Außerdem bin ich gerade dabei mit der Band namens "Dead Man Walking", wo auch Mike Peters und Captain Sensible von The Damned mit dabei sind, eine Platte aufzunehmen. Wir sind eigentlich auch schon fast fertig damit und sie sollte bald auf dem Markt sein.

Was hältst du von der Musik heutzutage? Hast du Favoriten?

Ehrlich gesagt, kann ich mit der Musik von heute nicht allzu viel anfangen, aber ich mag z.B. Bands wie die White Stripes sehr gerne.

Als ich die FAQs auf deiner Seite gelesen habe, habe ich das Gefühl gehabt, dass diese Fragen wie "Kannst du mir ein paar Drum-Tipps geben?" oder "Welches Equipment benutzt du?" dich nerven. Ist das so richtig?

Ja, stimmt. Das sind Fragen, die ich sehr oft gestellt bekomme. Ich liebe es aber über Equipment zu erzählen - nur das mit den Drum-Tipps liegt mir nicht (lacht).

Heute spielst du mit deiner Band hier im Ratinger Hof - eine der ältesten Punk-Locations Deutschlands. Wie hast du die Punk-Welle Ende der 70er erlebt?

Oh, wir haben sie geliebt. Für die Stray Cats waren zwar eher Leute wie Eddie Cochran, Gene Vincent oder Buddy Holly der entsprechende Einfluss aber wir haben auch The Clash, die Sex Pistols oder The Damned sehr gemocht. Wir haben versucht den Punk-Spirit in unseren Rockabilly-Stil zu übernehmen und das eigentlich bis heute beibehalten.

The Busters, eine der ältesten Ska-Bands hier in Deutschland spielen z.B. auch den "Ubangi Stomp" auf ihren Shows. Wie stehst du zu Ska-Musik?

Oh, ich mag sie. Ich habe Bands wie die Specials oder Madness immer so gemocht und es ist eben auch Rock'n'Roll.

Du hast dieses Jahr bereits viel Zeit in Deutschland verbracht. Was sind die Vorzüge von Deutschland gegenüber den USA und umgekehrt?

Na ja, das Wetter in Los Angeles ist viel besser (lacht) - obwohl, irgendwann ist das schöne Wetter auf Dauer auch anstrengend und man freut sich auf Regen, von dem es hier in Deutschland ja mehr gibt. Außerdem ist hier eine sehr starke Rock'n'Roll-/Rockabilly-/Psychobilly-Szene vertreten, die uns hier schon seit ca. 25 Jahren die Treue hält. Ich freue mich immer sehr hier zu spielen.

Wenn du deinen Drum-Stil mit einem Auto vergleichen würdest, für welches Auto würdest du dich entscheiden?

(überlegt) Wie wär's mit einer Corvette - stark, schnell und doch irgendwie Old-School.

Vielen Dank für das Gespräch.

© Stefan Üblacker